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Der Oberste Gerichtshof Indonesiens lehnte am 5. Juli eine von Baiq Nuril Maknun geforderte abschließende Urteilsprüfung ab und bestätigte damit den Schuldspruch gegen sie. Die ehemalige Verwaltungsangestellte an einem staatlichen Gymnasium war für schuldig befunden worden, pornografisches Material verbreitet zu haben. Die Grundlage dafür ist ein von ihr aufgezeichnetes Telefongespräch mit dem Schulleiter des Gymnasiums, in dem er sie sexualisiert belästigt. In einem letzten Versuch, die ihr drohende Haft- und Geldstrafe abzuwenden, bittet sie nun den Präsidenten um Amnestie – und benötigt dabei dringend Unterstützung.
Am 5. Juli lehnte der Oberste Gerichtshof die abschließende Prüfung eines Urteils gegen Baiq Nuril Maknun ab und bestätigte damit seinen vorausgegangenen Schuldspruch wegen der Verbreitung pornografischen Materials. Baiq Nuril Maknun war während ihrer Tätigkeit in einem staatlichen Gymnasium wiederholt belästigt worden. Sie gibt an, dass der Schulleiter sie immer wieder anrief, mit seinen sexuellen Beziehungen prahlte und versuchte, sie zu Sex mit ihm in einem Hotel zu überreden. Im August 2014 nahm Baiq Nuril Maknun eines dieser Telefonate auf.
Obwohl Baiq Nuril Maknun die von ihr erlittene sexualisierte Belästigung im November 2018 bei der Polizei anzeigte, wurden keine Ermittlungen eingeleitet. Und es blieb nicht bei dieser Verweigerung der notwendigen Unterstützung: Baiq Nuril Maknun wurde auf Grundlage des Paragrafen 27(1) des Informations- und elektronischen Übermittlungsgesetzes schuldig gesprochen, pornografisches Material verbreitet zu haben. Das Gericht verurteilte sie zu sechs Monaten Freiheitsentzug und einem Bußgeld in Höhe von 500 Millionen indonesischen Rupiah (ca. 30.100 Euro).
Nun hat Baiq Nuril Maknun beim Präsidenten ein Gnadengesuch eingereicht. Nach indonesischem Recht kann dieser erst nach einer Beratung durch das Parlament Amnestie gewähren. Amnesty International ist bekannt, dass Präsident Joko Widodo am 15. Juli das Repräsentantenhaus offiziell um die für eine Amnestie von Baiq Nuril Maknun erforderliche Beratung gebeten hat. Der indonesische Minister für Justiz und Menschenrechte, Yasonna Laoly, hat bereits seine Unterstützung für das Gnadengesuch zugesagt. Er kündigte an, bei der Beratung des Präsidenten die entsprechenden rechtlichen Argumente vorzubringen. Er hege die Hoffnung, dass die Unterstützung von Baiq Nuril Maknun auch andere Opfer sexualisierter Übergriffe ermutigen würde, die Täter_innen anzuzeigen.
Die 40-jährige Baiq Nuril Maknun lebt heute als Hausfrau in Labu Api, im Regierungsbezirk West Lombok in der Provinz West Nusa Tenggara. Mitte November 2018 zeigte sie die von ihr erlittene sexualisierte Belästigung bei der Polizei an.
Baiq Nuril Maknun hatte eine befristete Stelle in einem staatlichen Gymnasium in der Hauptstadt Mataram auf der indonesischen Insel Lombok. Sie gibt an, dass der Schulleiter sie in dieser Zeit wiederholt belästigt habe. Als Beweis für die sexualisierte Belästigung des Schulleiters und um Gerüchte über eine Affäre der beiden zu widerlegen, nahm Baiq Nuril Maknun im August 2014 ein Telefongespräch mit ihm auf. Sie übergab das Handy dann ihrem Bruder zur sicheren Verwahrung und holte es vier Monate später, im Dezember 2014, wieder ab.
Ohne ihr Wissen hatte ihr Bruder in der Zwischenzeit die Aufnahme des Telefongesprächs an eine Kollegin von ihr geschickt, um ihre Darstellung zu untermauern. Die Kollegin leitete die Aufnahme später an andere Kolleg_innen weiter, die das Fehlverhalten des Direktors schließlich meldeten. Während Baiq Nuril Maknun ihren Job verlor und zudem die Aufnahme ohne ihre Einwilligung verbreitet wurde, wurde der Direktor innerhalb der Schulbehörde befördert. Es fanden keine Untersuchungen wegen sexualisierter Belästigung statt. Stattdessen zeigte der Direktor Baiq Nuril Maknun sogar bei der Polizei an. Er warf ihr auf der Grundlage der Paragrafen 27(1) und 45(1) des Informations- und elektronische Übermittlungsgesetzes von 2008 vor, pornografisches Material illegal produziert und verbreitet zu haben.
In der ersten Anhörung am 26. Juni 2015 befand das Amtsgericht Mataram Baiq Nuril Maknun für unschuldig. Die Staatsanwaltschaft legte jedoch Rechtsmittel beim Obersten Gerichtshof ein. Über drei Jahre später, am 26. September 2018, sprach der Oberste Gerichtshof Baiq Nuril Maknun schuldig und verurteilte sie zu sechs Monaten Freiheitsentzug und einem Bußgeld in Höhe von 500 Millionen indonesischen Rupiah (ca. 30.100 Euro). Da sich die Öffentlichkeit über das Gerichtsurteil des Obersten Gerichtshofs empörte, entschied die Generalstaatsanwaltschaft zwei Tage vor Antritt der Strafe, das Urteil auszusetzen. Damit gewannen Baiq Nuril Maknun und ihre Rechtsbeistände Zeit, um eine gerichtliche Überprüfung des Urteilsspruches einzuleiten. Doch am 5. Juli lehnte der Oberste Gerichtshof die geforderte abschließende Prüfung des Urteils ab und bestätigte damit seinen vorausgegangenen Schuldspruch wegen der Verbreitung pornografischen Materials.
Amnesty International Indonesien wandte sich am 12. Juli in einem vertraulichen Schreiben an Präsident Joko Widodo. Darin forderte ihn die Menschenrechtsorganisation dazu auf, Baiq Nuril Maknun Amnestie zu gewähren. Am 15. Juli bat der Präsident in einem Schreiben an den Sprecher des Repräsentantenhauses um die Prüfung eines Amnestievorschlags durch das Parlament.
Die Paragrafen 27 und 45 des Informations- und elektronische Übermittlungsgesetzes von 2008 werden immer wieder benutzt, um das Recht auf freie Meinungsäußerung zu beschneiden, indem es Personen kriminalisiert, die über Social Media, durch Bloggen oder ähnliche Mittel ihre Meinung äußern. Das Südostasien Netzwerk für freie Meinungsäußerung (Southeast Asia Freedom of Expression Network - SAFENet) berichtet seit 2008 von 245 Anklagen unter den Paragrafen 27 und 45, von denen 35% von Beamt_innen eingereicht wurden. Die Paragrafen werden häufig verwendet, um Kritiker_innen zum Schweigen zu bringen oder Anschuldigungen gegen Beamt_innen wegen krimineller Aktivitäten zu verhindern. Im Fall von Baiq Nuril Maknun dürfte die Anwendung dieser Gesetze alarmierende Auswirkungen auf Überlebende sexualisierter oder geschlechtsspezifischer Gewalt haben, die solche Straftaten an die Behörden melden wollen. Obwohl diese Paragrafen des Informations- und elektronischen Übermittlungsgesetzes wiederholt gerichtlich überprüft wurden, sind sie bis heute nicht reformiert oder abgeschafft worden.
Urgent Action bis 24.08.2019