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Staaten haben die menschenrechtliche Verpflichtung, geschlechtsspezifische Gewalt zu verhindern, Täter zu verfolgen und Opfern Zugang zu Schutz, Unterstützung und Wiedergutmachung auf zeitnahe, angemessene und effiziente Weise zu gewähren. Zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen am 25. November forderte Amnesty die österreichischen Behörden auf, eine Reihe von Maßnahmen umzusetzen.
Wo Maria Rösslhumer, die langjährige Geschäftsführerin der Autonomen Österreichischen Frauenhäuser, Chancen auf Veränderung sieht und konkret daran arbeitet, erklärt sie im Gespräch mit der Sprecherin der Netzwerks Frauenrechte, Dorothea Sturn.
Vor 45 Jahren wurde das erste Frauenhaus in Österreich bzw. in Wien errichtet und keine andere Organisation verbinden wir so sehr mit dem unermüdlichen Einsatz für von Gewalt betroffene Frauen wie die Autonomen österreichischen Frauenhäuser. Der Verein AÖF - die Dachorganisation der autonomen Frauenhäuser in Österreich – feiert in diesem Jahr gleich zwei Jubiläen: sein 35-jähriges Bestehen und auch das 25-jährige Jubiläum der Frauenhelpline gegen Gewalt. Was ist in dieser Zeit alles passiert und was muss noch passieren? Wir haben nachgefragt und Maria Rösslhumer gab uns Antworten:
Liebe Maria, du bist jetzt seit 1997 dabei und fast so lange als Geschäftsführerin tätig. Wenn Du zurückblickst – was waren die größten Erfolge in den letzten Jahren?
Das Gewaltschutzgesetz 1997 war wichtiger Meilenstein, Österreich war damals eines der ersten Länder mit einem Gesetz zu häuslicher Gewalt. Es ermächtigt und verpflichtet die Polizei, einen Gefährder wegzuweisen und mit einem Betretungsverbot zu belegen. Bei der Polizei ist ein angemessener Umgang mit solchen Situationen in der Ausbildung verankert. Das würde auch anderen Berufsgruppen guttun. Und es gab wichtige weitere Gesetze: Das Anti-Stalking Gesetz, die Opferrechte im Strafverfahren wurden ausgebaut, die kostenlose psychosoziale und juristische Prozessbegleitung eingeführt. Seit 2014 schafft darüber hinaus die Ratifizierung der Istanbul-Konvention verbindliche Rechtsnormen gegen Gewalt an Frauen und häusliche Gewalt.
Wie gut funktioniert die Kooperation mit der Polizei?
Die Kooperation mit Frauenhäusern funktioniert gut, und die Zusammenarbeit mit den Gewaltschutzzentren ist auch gesetzlich verankert. Im Umgang mit den Betroffenen agiert sie jedoch oft unsensibel und frauenfeindlich. Die Wegweisung ist nach wie vor ein wichtiges Instrument, vor allem, weil sie eine Konsequenz für die Täter darstellt. Ein Problem ist allerdings, dass die Wegweisung bei gefährlichen Tätern nicht greift. Jetzt gibt es eine verpflichtende Täterberatung“, das ist gut, aber mit 6 Stunden „Beratung“ viel zu wenig.
Die Statistiken zu Femiziden und zu Gewalt an Frauen sind ernüchternd, weltweit und auch in Europa und Österreich. Mit fast 30 Frauenmorden (26) allein im Jahr 2023 ist in Österreich die Zahl der Frauenmorde bezogen auf die Bevölkerungsanzahl im Vergleich zu anderen Ländern enorm hoch. Woran liegt das?
Ja das frage ich mich auch. Wir machen das jetzt schon so viele Jahre. Wir haben eine gute Infrastruktur, zahlreiche gesetzliche Grundlagen und viele Maßnahmen. Dennoch nimmt die Gewalt an Frauen nicht ab. Die Maßnahmen schützen offenbar nicht ausreichend: Die Täter werden nicht wirklich hart bestraft. Frauen werden von Behörden im Kreis herumgeschickt, fast jede Anzeige wird von der Staatsanwaltschaft eingestellt (8 von 10). Wenn es zum Strafverfahren kommt, werden viele freigesprochen oder sehr mild verurteilt. Höhere Maximalstrafen nützen hier wenig, da das vorgesehene Ausmaß nicht ausgeschöpft wird. Den Frauen wird nach wie vor nicht ausreichend geglaubt, ihnen wird oftmals unterstellt, sich die Verletzungen selbst zugezogen zu haben. Die Behörden stoppen die Täter nicht und unterstützen Frauen nicht ausreichend. In anderen Ländern gibt es teilweise bessere Regelungen. In Spanien beispielsweise müssen Täter nach einer Wegweisung 24 Stunden in Haft, während die Gefährdung eingeschätzt wird. Bei uns hingegen sind die Gefährlichkeitseinschätzungen lückenhaft und eine Opfer-Täter-Umkehr steht immer noch auf der Tagesordnung.
Wir befinden uns mitten in den 16 Tagen gegen Gewalt an Frauen. Es passiert einiges, ihr macht viel, wir machen auch einiges, Orange the World ist ebenso wie die Volkshilfe, die Grünen und die SPÖ Frauen sichtbar aktiv, die Wiener Linien beschriften ihre Fahrplananzeigen mit Kein Platz für Gewalt, im Alsergrund erinnert der Ni-Una-Menos-Platz an Nadine W., die 2021 in ihrer Trafik von ihrem Ex-Partner ermordet wurde. Und auch das offizielle Österreich (Parlament, Bundespräsident, Bundeskanzler, Frauenministerium) hat sich dazu geäußert. Dennoch: Müsste das nicht viel mehr, viel sichtbarer sein?
Es ist gut, dass es all diese Initiativen gibt. Es rumort in der Zivilgesellschaft, das ist spürbar, aber es fehlt eine große, massive diese Empörung. Und vor allem fehlt eine Gesamtstrategie, die auch der Rechnungshof eingemahnt hat. Anstatt bestehende Maßnahmen finanziell gut auszustatten und auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen, übertreffen sich die Verantwortlichen mit populistischen Ansagen.
Neben den bekannten Angeboten an Beratung und Hilfe für betroffene Frauen (Die Informationsstelle gegen Gewalt, die Frauenhelpline gegen Gewalt 0800 222 555, die Onlineberatung "HelpChat – www.haltdergewalt.at gibt es nun auch die Initiative StoP - Stadtteile ohne Partnergewalt. Kannst Du uns darüber kurz etwas erzählen?
Bei StoP versuchen wir, in die breite Bevölkerung zu gehen, Bewusstsein zu schaffen. Und wir wollen, dass Männer als Verbündete auftreten, und andere motivieren. Gewalt an Frauen ist ein Männerproblem und es bringt nichts, wenn es immer nur Frauen thematisieren. Wir haben uns auch sehr gefreut, dass #aufstehen jetzt Männer in den Fokus stellt.
Wenn Du drei Wünsche für die Zukunft frei hättest und Geld keine Rolle spielen würde, was wären diese?
Wir brauchen erstens eine grundlegende Änderung in der Gesellschaft, die noch immer stark patriarchalisch geprägt ist. Das heißt große Kampagnen, damit sich in den Köpfen etwas ändert. Das ist machbar, kostet aber viel Geld, viel Zeit und personelle Ressourcen.
Zweitens hätten wir gerne StoP in jeder Gemeinde verankert, nicht nur in den urbanen Zentren. Es ist ein sehr wirksames Gewaltpräventionsprojekt, um mit vielen Leuten ins Gespräch zu kommen. Auch das kostet Geld, wir rechnen mit 40.000 € pro Gemeinde, das sind 83 Mio. € pro Jahr.
Drittens brauchen wir mehr geschultes Personen im System. Das heißt auch mehr und bessere Schulungen vor allem für die Justiz (Richter*innen, Staatsanwält*innen, Gutachter*innen). Personen, die das Kindeswohl erkennen und nicht die Täterrechte in den Vordergrund stellen, was viel zu oft passiert.
Amnesty-Aktion vor dem Parlament gemeinsam mit Catcalls of Vienna und der Frauenhelpline am 24. Nov. 2023
Maria Rösslhumer, Geschäftsführerin der Autonomen Österreichischen Frauenhäuser
Aktion der Gruppe Wien am Urban-Loritz-Platz in Wien