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Der seit Juni 2020 inhaftierte gewaltlose politische Gefangene Hamed Gharehoghlani zeigt Symptome, die Vorboten gefährlicher epileptischer Anfälle sein könnten. Die Behörden weigern sich seit einiger Zeit, ihm Zugang zu Medikamenten und fachärztlicher Behandlung zu gewähren. Am 24. Januar hat er vor dem Obersten Gerichtshof Rechtsmittel gegen seine Haftstrafe von 14 Jahren und einem Monat eingelegt. Er muss umgehend und bedingungslos freigelassen werden.
Hamed Gharehoghlani ist ein gewaltloser politischer Gefangener, der im Zentralgefängnis von Urmia in der Provinz West-Aserbaidschan festgehalten wird. Er muss dringend fachärztlich behandelt werden, da er an einer schweren Form der Epilepsie leidet, die unbehandelt zu gefährlichen epileptischen Anfällen führen kann. Seit seiner Festnahme am 27. Juni 2020 gewähren ihm die Gefängnisbehörden keinen Zugang zu den Medikamenten, die seine Familie ihm regelmäßig mitbringt. Auch die Verlegung in eine Spezialklinik außerhalb des Gefängnisses für seine routinemäßige neurologische Untersuchung wird ihm bisher verweigert. Die Untersuchung erfolgt zweimal im Jahr und beinhaltet unter anderem einen Gehirnscan. Hamed Gharehoghlani leidet derzeit regelmäßig unter Orientierungsverlust, Erschöpfung und Kopfschmerzen sowie zunehmendem Muskelabbau. Seine Familie hat mit medizinischen Fachkräften außerhalb des Gefängnisses gesprochen, die aufgrund der Beschreibung seiner Symptome befürchten, dass er Gefahr läuft, gefährliche epileptische Anfälle zu erleiden, die zu ernsten und möglicherweise irreversiblen Schäden wie z. B. Hirnschäden führen können. Der Gefängnisarzt hat gegenüber Hamed Gharehoghlani bereits mehrfach eingeräumt, nicht über die nötige Fachkenntnis für die Behandlung seiner Erkrankung zu verfügen, hat jedoch bisher nichts unternommen, um eine Verlegung in eine externe Spezialklinik in die Wege zu leiten.
Hamed Gharehoghlani wurde im Dezember 2020 vor einem Revolutionsgericht in Urmia zu 14 Jahren und einem Monat Haft verurteilt. Der Prozess entsprach nicht den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren und bestand lediglich aus einer einzigen zehnminütigen Anhörung. Das Gericht verurteilte ihn im Zusammenhang mit Online-Beiträgen, in denen er den iranischen Religionsführer der Korruption beschuldigte, und weil er sich online mit Personen ausgetauscht hatte, die von den Behörden als Unterstützer*innen der Volksmudschaheddin (People’s Mojahedin Organization of Iran – PMOI), eine Oppositionsgruppe mit Sitz außerhalb des Iran, bezeichnet werden. Diese hätten ihn vorgeblich dazu angestiftet, Banner mit Bildern des Religionsführers und des Anführers der Revolutionsgarden, Kommandeur Qasem Soleimani, zu zerreißen. Qasem Soleimani war im Januar 2020 im Irak bei einem US-amerikanischen Drohnenangriff getötet worden. Auf dieser Grundlage verurteilte ihn das Gericht wegen "Beleidigung des Religionsführers", "Verbreitung von Propaganda gegen das System" und "Mitgliedschaft in einer Gruppe, die einen bewaffneten Aufstand gegen das System der Islamischen Republik betreibt". Hamed Gharehoghlani wies vor Gericht alle Vorwürfe von sich. Er nahm zudem "Geständnisse" zurück, die er eigenen Angaben zufolge unter psychologischer Folter abgelegt habe, als er festgehalten und ohne Rechtsbeistand verhört wurde. Amnesty International befürchtet, dass seine Verurteilung außerdem mit zwei seiner Verwandten zu tun haben könnte, die im Ausland leben und Verbindungen zur PMOI unterhalten. Am 24. Januar 2021 legte Hamed Gharehoghlani Rechtsmittel gegen das Urteil ein.
Hamed Gharehoghlani wird in einem Trakt festgehalten, in dem verurteilte Gewalttäter einsitzen, die ihm bereits mit tätlichen und sexualisierten Übergriffen gedroht haben. Das Gefängnis ist überfüllt und er muss auf dem Boden schlafen. Anfang September 2020 wies Hamed Gharehoghlani mögliche Covid-19-Symptome auf: er litt unter schwerem trockenen Husten, Fieber und Kurzatmigkeit. Obwohl er wegen seiner Vorerkrankungen stärker in Gefahr ist, schwer an Covid-19 zu erkranken oder gar an einer Erkrankung zu sterben, führten die Gefängnisbehörden keinen Diagnosetest durch. Stattdessen verabreichten sie ihm ein unbekanntes Medikament und schickten ihn dann wieder in seine überfüllte Zelle zurück.
Hamed Gharehoghlani wurde am 27. Juni 2020 von Angehörigen des Geheimdienstministeriums in Urmia in der Provinz West-Aserbaidschan festgenommen. Man brachte ihn in die Hafteinrichtung des Geheimdienstministeriums in Urmia, wo er zwei Wochen lang in Einzelhaft und ohne Zugang zu seiner Familie oder seinem Rechtsbeistand festgehalten wurde. Daraufhin wurde er in das Zentralgefängnis von Urmia verlegt. Eine gut unterrichtete Quelle berichtete, dass er in der Einzelhaft auf verschiedene Weise psychologisch gefoltert wurde, um ein "Geständnis" von ihm zu erzwingen. Er soll beispielsweise beleidigt und beschimpft worden sein und man soll ihm mit der Hinrichtung gedroht haben. Zudem drohte man ihm mit der Tötung seiner Mutter, insbesondere dann, wenn sein Fall publik werden sollte. Hamed Gharehoghlani durfte weder seine Medikamente einnehmen noch an die frische Luft gehen. Wenige Stunden nach seiner Festnahme luden Angehörige des Geheimdienstministeriums seine Mutter und Schwester zum Verhör vor. Sie drohten seiner Mutter mit der Entlassung aus ihrer Lehrposition und zwangen beide Frauen, Stellungnahmen zu unterschreiben, in denen sie sich verpflichteten, den Religionsführer und "islamische Heiligkeiten" nicht zu "beleidigen". Sie warnten die Frauen zudem, mit niemandem über die Inhaftierung von Hamed Gharehoghlani zu sprechen. Angehörige des Geheimdienstministeriums beschuldigten seine Familie wiederholt der Verbindungen mit der PMOI und bezogen sich während des Verhörs, das aus Gebrüll und Beleidigungen bestand, auf zwei Verwandte, die im Ausland leben und die PMOI unterstützen. Die Familie von Hamed Gharehoghlani stritt jegliche Unterstützung der PMOI und jeglichen Kontakt mit den im Ausland lebenden Verwandten ab.
Der Prozess von Hamed Gharehoghlani vor Abteilung 2 des Revolutionsgerichts von Urmia entsprach bei Weitem nicht den Standards für ein faires Gerichtsverfahren. Das Verfahren bestand aus nur einer Anhörung, die am 28. September 2020 hinter geschlossenen Türen stattfand und nur zehn Minuten andauerte. Der vorsitzende Richter zeigte sich offen feindselig und parteiisch, indem er Hamed Gharehoghlani wiederholt unterbrach, die Vorwürfe des Geheimdienstministeriums offen unterstützte und ihn als "Terrorist" bezeichnete. Hamed Gharehoghlani durfte sich nur einmal, mehrere Wochen vor seinem Verfahren, mit seinem Rechtsbeistand treffen, und auch dann nur im Beisein von Gefängnis- und Geheimdienstbeamt*innen. Die Behörden haben ihm keine Abschrift des Urteils zukommen lassen. Am 29. November 2020 durfte er sich die Urteilsschrift kurz ansehen und musste dann eine Stellungnahme unterschreiben, in der er bestätigte, über den Schuldspruch und das Strafmaß in Kenntnis gesetzt worden zu sein.
Als Vertragsstaat des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte ist der Iran verpflichtet, "das Recht eines jeden auf den Genuss eines Höchstmaßes an körperlicher und geistiger Gesundheit" zu respektieren, zu fördern, zu schützen und umzusetzen. Entsprechend der UN-Mindestgrundsätze für die Behandlung von Gefangenen (Nelson-Mandela-Regeln) sind Gefängnisbehörden verpflichtet, alle Gefangenen kostenfrei und angemessen medizinisch zu versorgen. Nach den Nelson-Mandela-Regeln sind Gefängnisinsassen, die fachärztliche Behandlung bzw. eine Operation benötigen, in Spezialkliniken oder zivile Krankenhäuser zu verlegen. Des Weiteren sollten klinische Entscheidungen nur von dem verantwortlichen medizinischen Personal getroffen werden und nicht von Gefängnispersonal außer Kraft gesetzt werden können. Amnesty International hat zahlreiche Fälle dokumentiert, in denen die iranischen Behörden gewaltlosen politischen Gefangenen vorsätzlich die medizinische Versorgung vorenthalten haben, wodurch sie das Leben und die Gesundheit dieser Personen aufs Spiel gesetzt haben. In manchen dieser Fälle kam Amnesty International zu dem Schluss, dass es sich um Folter handelte, da das Verhalten zu schweren Schmerzen führte und dazu gedacht war, die Gefangenen zu bestrafen, einzuschüchtern oder zu erniedrigen, oder "Geständnisse" von ihnen zu erzwingen.
Das Recht auf freie Meinungsäußerung schließt das Recht ein, sich kritisch über das vorherrschende sozialpolitische System zu äußern und entweder alleine oder gemeinsam mit anderen friedlich für alternatives politisches Gedankengut einzutreten, solange dieses keinen Hass schürt und nicht zu Diskriminierung, Feindseligkeit oder Gewalt aufruft. Wer Personen nur deshalb bestraft, weil ihre Äußerungen als beleidigend gegenüber einer Person des öffentlichen Lebens aufgefasst werden, verstößt gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung, das im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte festgeschrieben ist, dessen Vertragsstaat der Iran ist.
Die iranischen Behörden nehmen seit Langem die Familienmitglieder von Personen ins Visier, die tatsächliche oder vermeintliche Verbindungen zur PMOI unterhalten. In den 1980er- und 1990er-Jahren unternahm die PMOI vom Irak aus bewaffnete Angriffe gegen die Islamische Republik Iran. Im Zuge der US-amerikanischen Besetzung des Irak im Jahr 2003 wurde die PMOI schließlich entwaffnet, und seit 2008 gilt sie für die Europäische Union und zahlreiche Länder nicht mehr als "terroristische" Organisation, da sie nicht mehr länger in bewaffneter Opposition zum Iran steht.