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Philippinen: gefolterter Aktivistin droht erneut Haft

18. Oktober 2022

Die ehemalige politische Gefangene Adora Faye de Vera wurde vor über einem Monat wegen Mordes, versuchten Mordes und Rebellion festgenommen. Ihre Familie beteuert Adora Faye de Veras Unschuld und sagt, dass sie nur aufgrund ihres Aktivismus und ihres Einsatzes für Gerechtigkeit für die Opfer von Verstößen gegen das Kriegsrecht zur Zielscheibe der philippinischen Behörden wurde. 1976 war Adora Faye de Vera schon einmal inhaftiert und als politische Gefangene gefoltert und auf andere Weise misshandelt worden. Am 24. August 2022 wurde sie in der Stadt Quezon City festgenommen, wo sie sich für eine medizinische Behandlung aufhielt. Adora Faye de Vera muss umgehend freigelassen und die Anklage gegen sie fallengelassen werden – nicht zuletzt wegen ihres sich verschlechternden Gesundheitszustands.

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Sachlage

Die Anschuldigungen gegen die Frauenrechtsaktivistin und ehemalige politische Gefangene Adora Faye de Vera sind unbegründet und ihre Inhaftierung ist willkürlich. Alle Anklagepunkte gegen Adora Faye de Vera, die während der Zeit des Kriegsrechts auf den Philippinen Folter und andere Formen der Misshandlung überlebt hat, müssen fallengelassen und sie selbst sofort freigelassen werden, vor allem aufgrund ihres Gesundheitszustands.

Erst zwei Tage nach ihrer Festnahme am 24. August 2022 in Quezon City durfte Adora Faye de Vera mit ihrer Familie und ihrem Rechtsbeistand sprechen. Sie war in Quezon City festgenommen worden, als sie für die Behandlung ihres chronischen Asthmas und ihrer Blutarmut in der Stadt war. Später berichtete sie ihrer Familie und ihrem Rechtsbeistand, dass die Beamt*innen, die vermutlich Polizist*innen waren, sich als Angehörige einer anderen Regierungsorganisation, nämlich des Feuerwehrdezernats, ausgegeben hatten. Außerdem berichtete Adora Faye de Vera, die Beamt*innen hätten ihr einen 16 Jahre alten Haftbefehl vorgelegt, auf dem sie lediglich ihren eigenen Namen habe entziffern können; auch seien ihr weder ihre Rechte, wie das Recht auf juristischen Beistand, noch die Gründe für die Festnahme verlesen worden. Die Familie von Adora Faye de Vera ist der Ansicht, dass die Anklagepunkte gegen sie konstruiert sind und sie nur wegen ihrer Menschenrechtsarbeit, besonders wegen ihres Kampfs um Gerechtigkeit für die Opfer von Verstößen gegen das Kriegsrecht, zur Zielschreibe der Behörden wurde.

Die philippinische Regierung beschuldigt beständig Menschenrechtsverteidiger*innen und Aktivist*innen, Mitglieder der Kommunistischen Partei CPP (Communist Party of the Philippines) und deren bewaffneter Unterorganisation maoistischer Ausrichtung, der New People’s Army (NPA), zu sein. Daraus resultieren vermehrte Angriffe, einschließlich gezielter Tötungen, auf diese Personen. Wiederholt haben sich die philippinischen Behörden der Achtung, dem Schutz, der Förderung und der Gewährleistung der Menschenrechte verpflichtet. Die Festnahme von Adora Faye de Vera und ihre anhaltende Inhaftierung weisen jedoch auf eine sich stark verschlechternde Menschrechtssituation im Land hin.

 

Hintergrundinformation

Die Aktivistin und Dichterin Adora Faye de Vera ist 2022 insgesamt zum dritten Mal festgenommen worden. Zum ersten Mal war sie 1976 zur Zeit des Kriegsrechts festgenommen worden; damals wurde sie von Militärangehörigen gefoltert und anderweitig misshandelt, unter anderem durch sexualisierte Gewalt. 1983 folgte eine weitere Festnahme. Amnesty International veröffentlichte in einem Bericht von 1982 Einzelheiten zu der Festnahme aus dem Jahr 1976.

Der Ehemann von Adora Faye de Vera, Manuel Manaog, wurde 1990 entführt und gilt seitdem als vermisst. Er war als Aktivist tätig.

1986 war Adora Faye de Vera eine der zehn Kläger*innen einer Sammelklage, in der es um das Vermögen der Familie des amtierenden Präsidenten Bongbong Marcos Jr. ging. Die Sammelklage wurde in den USA eingereicht in dem Streben nach Gerechtigkeit für die Opfer von Menschenrechtsverstößen während der Zeit des Kriegsrechts unter dem mittlerweile verstorbenen Präsidenten Ferdinand Marcos Sr., dem Vater von Bongbong Marcos Jr. Das Gericht in den USA sah es als erwiesen an, dass sich Ferdinand Marcos Sr. Menschenrechtverstößen schuldig gemacht hatte, und urteilte, dass aus dem Familienvermögen Entschädigungen gezahlt werden müssen.

Am 24. August 2022 wurde Adora Faye de Vera von bewaffneten Personen festgenommen, die sich als Polizist*innen ausgaben. Adora Faye de Vera war zu diesem Zeitpunkt in Quezon City, um ihr chronisches Asthma und ihre Blutarmut behandeln zu lassen. Laut der Menschenrechtsorganisation Karapatan kamen zwei uniformierte Frauen zu Adora Faye de Veras Wohnung, wiesen sich als Angehörige des Feuerwehrdezernats aus und wollten die Wohnung nach Marihuana durchsuchen. Später kamen die beiden Frauen mit weiteren Personen zurück, die bewaffnet waren und angaben, Polizist*innen zu sein, und nahmen Adora Faye de Vera fest.

Anschließend wurde Adora Faye de Vera zum Flughafen und dann zu einer Polizeiwache in der Provinz Iloilo gebracht, die Hunderte von Kilometern von Quezon City entfernt liegt. Zwei Tage lang gab die Polizei ihr keine Möglichkeit, ihren Rechtsbeistand oder ihre Familie zu kontaktieren. Am 26. August trafen ein Familienmitglied, der Rechtsbeistand und Anwaltsgehilf*innen bei der Polizeiwache ein, nachdem sie über Berichte auf den Aufenthaltsort von Adora Faye de Vera gekommen waren. Am selben Nachmittag wurde sie ärztlich untersucht.

Die Polizei warf Adora Faye de Vera vor, ein hochrangiges Mitglied der kommunistischen Partei CPP zu sein. Außerdem stünden Haftbefehle wegen Mordes, versuchten Mordes und Rebellion gegen sie aus. Diese stehen mit einem angeblichen Überfall aus dem Jahr 2009 in Verbindung, bei dem Sicherheitskräfte ums Leben kamen.

Das Phänomen des sogenannten "Red-Tagging" – d. h. die Verknüpfung von Menschenrechtsverteidiger*innen und Aktivist*innen mit bewaffneten Gruppen, sowohl durch die Regierung als auch durch unbekannte Personen – gibt es schon seit Jahrzehnten, hat sich aber unter der Regierung von Präsident Rodrigo Duterte nach dem Abbruch der Friedensgespräche zwischen der Regierung und der Kommunistischen Partei CPP im Jahr 2017 verschärft. Dutertes anschließende Verfügung Nr. 70 sieht einen "Ansatz zur Bekämpfung lokaler kommunistischer Terrorgruppen durch die ganze Nation" vor und führte zur Gründung einer Nationalen Task Force zur Beendigung bewaffneter Konflikte durch kommunistische Gruppen im Land. Beobachter*innen betrachten diesen Moment als den Beginn einer verstärkten Kampagne von Red-Tagging, Drohungen und Schikanen gegen Menschenrechtsverteidiger*innen, politische Aktivist*innen, Anwält*innen, Gewerkschafter*innen und andere Zielgruppen, die der progressiven Linken zugeordnet werden.

Viele Organisationen, darunter Amnesty International und das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte, haben die sofortige Beendigung dieses Vorgehens gefordert und ihre Besorgnis darüber zum Ausdruck gebracht, dass die gefährlich breit angelegte Strategie der Regierung zur Aufstandsbekämpfung zu einer Zunahme der Menschenrechtsverletzungen gegen Menschenrechtsverteidiger*innen und politische Aktivist*innen im ganzen Land geführt hat.

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