Am 31. August wurden die Journalistin Hajar Raissouni und ihr Verlobter beim Verlassen einer Klinik in der Hauptstadt Rabat von sechs Polizist*innen in Zivil (einer hielt eine Kamera) gefragt, ob sie einen Schwangerschaftsabbruch habe vornehmen lassen. Dann nahmen die Polizist*innenHajar Raissouni, ihren Verlobten, einen Arzt und zwei Mitarbeiter*innen der Klinik fest.
Am 30. September wurden Hajar Raissouni und ihr Verlobter Amin Rifaat zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Das Gericht befand sie wegen Straftaten im Zusammenhang mit einem Schwangerschaftsabbruch und außerehelichen Geschlechtsverkehrs für schuldig. Auch der Arzt, der den Schwangerschaftsabbruch durchgeführt haben soll, wurde zu einem Jahr Haft verurteilt. Nach Angaben von Hajar Raissounis Anwalt Saad Sahli enthält der Arztbericht keinen Hinweis auf einen Schwangerschaftsabbruch.
Politisch motiviert?
In Gewahrsam wurde Hajar Raissouni zu den politischen Äußerungen in ihren Veröffentlichungen und zu einem Kollegen bei Akhbar al-Yaoum verhört. Darüberhinaus wurde sie zu ihrer Familie und darunter auch ihren Onkel Ahmed Raissouni befragt, ein bekannter Theologe und ehemaliger Präsident einer der größten islamischen Bewegungen in Marokko, dem Mouvement de l'Unicité et de la Réforme (MUR). Diese Informationen lassen vermuten, dass die Festnahme von Hajar Raissouni politische Gründe hat und mit ihrer journalistischen Arbeit in Zusammenhang stehen könnte. Sie hat zudem Beiträge über die Bewegung Hirak El-Rif geschrieben und Artikel veröffentlicht, in denen sie sich kritisch über die marokkanischen Behörden äußert.
Frauenrechte und Meinungsfreiheit in Marokko
Der Fall wirft ein Licht auf Gesetze in Marokko, die Frauen das Recht auf Selbstbestimmung über ihren Körper verweigern, in dem sie Schwangerschaftsabbrüche und außerehelichen Geschlechtsverkehr kriminalisieren. Da diese Gesetze nach wie vor gültig sind, wird es weiterhin zu Festnahmen in diesem Zusammenhang kommen. Der Fall von Hajar Raissouni macht zudem deutlich, dass die marokkanischen Behörden weiterhin gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung von Journalist*innen und Menschenrechtler*innen vorgehen. Die marokkanischen Behörden sollten Maßnahmen einleiten, um das Recht auf freie Meinungsäußerung zu schützen. Zudem sollten Schwangerschaftsabbrüche entkriminalisiert und Gesetze, die Frauen diskriminieren, aufgehoben werde.