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Wegen ihrer Kritik am Bau eines Internierungslagers in einem Flüchtlingslager in Bosnien-Herzegowina klagte das in Wien ansässige Internationale Zentrum für Migrationspolitik (ICMPD) die NGO SOS Balkanroute und ihren Obmann Petar Rosandić. Nach einem Aufschrei der Zivilgesellschaft und massiver Kritik von Amnesty International und 50 weiteren Organisationen wurden gestern, 18. Juli 2023, alle Klagen am Wiener Handelsgericht abgewiesen. Das ist ein großer Erfolg für die Zivilgesellschaft in Österreich, die gezeigt hat, dass sie wachsam ist, wenn Menschenrechte in Gefahr sind.
Amnesty International hat zuletzt wiederholt auf die besorgniserregende Zunahme von SLAPP-Klagen gegenüber Journalist*innen und NGOs in Österreich hingewiesen. SLAPP-Klagen sind eine massive Bedrohung für die Meinungs- und Pressefreiheit und für zivilgesellschaftliche Beteiligung. Sie bedienen zur Einschüchterung kritischer Stimmen rechtliche Mittel und – besonders besorgniserregend – richten sich nicht nur gegen Medien oder Organisationen sondern regelmäßig auch per Privatanklage gegen kritische Personen selbst, etwa Journalist*innen oder Aktivist*innen. Auch das ICMPD klagte nicht nur die NGO SOS Balkanroute auf Unterlassung und Widerruf, sondern auch ihren Obmann selbst, den Wiener Aktivisten und Rapper Petar Rosandić alias Kid Pex. SLAPP-Klagen untergraben das Recht auf freie Meinungsäußerung und entfalten eine abschreckende Wirkung auf andere Aktivist*innen, Journalist*innen und Menschenrechtsverteidiger*innen. Damit wird ein zunehmend feindseliges Umfeld geschaffen, Informationen im öffentlichen Interesse zu veröffentlichen.
Die öffentliche Aufmerksamkeit vor der Gerichtsverhandlung hat gezeigt, dass die Zivilgesellschaft in Österreich wachsam ist, wenn es darum geht, Menschenrechte zu verteidigen. Nun wurden alle Klagen abgewiesen. Der Richter verwies in der Urteilsverkündung auf die Europäische Menschenrechtskonvention. Doch der juristische Aufwand ist unverhältnismäßig zu dem erstrebenden Ziel der Klage gewesen. Wir fordern daher entsprechende Maßnahmen, etwa beschleunigte Verfahren zur Abweisung von SLAPP Klagen.
„Das Urteil ist ein Erfolg für die Menschenrechte in Österreich. Die Meinungsäußerungsfreiheit umfasst eben auch Dinge, die kritisch, überspitzt oder sogar zum Teil beleidigend formuliert sein können. Gerade sogenannte 'Public Figures' müssen das akzeptieren”, sagt Nicole Pinter, Juristin und Advocacy & Research Officer bei Amnesty International Österreich.
Jetzt muss die Regierung geeignete Maßnahmen umsetzen, um in Zukunft langwierige Verfahren zu verhindern, wenn eigentlich von vornherein klar sein muss, dass es nur um die Einschüchterung kritischer Stimmen geht.
Nicole Pinter, Juristin und Advocacy & Research Officer bei Amnesty International Österreich
Maßnahmen gegen SLAPP-Klagen liegen nicht nur im Interesse der betroffenen Personen. Denn neben der Einschüchterung der Betroffenen können SLAPP-Klagen auch negative Folgen für den öffentlichen Diskurs haben. Gerade Journalist*innen, Menschenrechtsaktivist*innen und andere Personen, die Menschenrechtsverletzungen untersuchen und aufdecken, spielen eine wichtige Rolle mit ihrem Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung und zu Transparenz. Durch deren Einschüchterung wird auch unser aller Recht auf Zugang zu Information und Partizipation verletzt.
Hier wiederum ist der Staat in der Verantwortung, der ja die Einhaltung und den Schutz der Menschenrechte garantieren muss. Der Staat ist also verpflichtet, Personen vor Eingriffen in die freie Meinungsäußerung zu schützen.