Loading...
© Dutzende afrikanische Einwanderer*innen, die sich im Norden der tunesischen Hauptstadt Tunis niedergelassen haben, müssen auf der Straße leben. / Anadolu Agency via Getty Images

news © Dutzende afrikanische Einwanderer*innen, die sich im Norden der tunesischen Hauptstadt Tunis niedergelassen haben, müssen auf der Straße leben. / Anadolu Agency via Getty Images

EU/Tunesien: Migrationsabkommen bringt Flüchtende in Gefahr

20. Juli 2023

Die Europäische Kommission hat eine Absichtserklärung unterschrieben, die Tunesien unter anderem finanzielle und technische Unterstützung zusichert, um Migration nach Europa zu verhindern.

Die Vereinbarung wurde  von Olivér Várhelyi, Kommissar für Erweiterung und Europäische Nachbarschaftspolitik, und Mounir Ben Rjiba, Staatssekretär des tunesischen Ministers für auswärtige Angelegenheiten, Migration und Auslandstunesier unterzeichnet – im Anschluss an ein Treffen zwischen der Präsidentin der EU-Kommission Ursula von der Leyen, dem niederländischen Premierminister Mark Rutte, der italienischen Premierministerin Giorgia Meloni und dem tunesischen Präsidenten Kais Saied am Sonntag in Tunesien. Die Vereinbarung, die Tunesien finanziell unterstützt, zielt darauf ab, Menschen daran zu hindern, nach Europa zu gelangen, die Rückführung von Tunesier*innen ohne Aufenthaltsgenehmigung in Europa auszubauen und die Rückführung von Menschen anderer Nationalität aus Tunesien in Drittländer zu erleichtern. 

Die Leiterin des Lobby-Bereichs im EU-Büro von Amnesty International, Eve Geddie, kommentiert dies wie folgt: 

"Dieses unkluge Abkommen, das trotz ansteigender Beweise für schwere Menschenrechtsverletzungen durch die Behörden unterzeichnet wurde, wird zu einer gefährlichen Ausweitung der bereits gescheiterten Migrationspolitik führen und signalisiert, dass die EU das zunehmend repressive Verhalten des tunesischen Präsidenten und der Regierung akzeptiert. Vor dem Hintergrund eskalierender Gewalt und Übergriffen gegen afrikanische Migrant*innen aus Subsahara-Afrika durch die tunesischen Behörden zeigt die Entscheidung, dass aus früheren ähnlichen Abkommen keine Lehren gezogen wurden. Damit macht sich die Europäische Union mitschuldig an dem Leid, das unweigerlich daraus entstehen wird."

Dieses unkluge Abkommen, das trotz ansteigender Beweise für schwere Menschenrechtsverletzungen durch die Behörden unterzeichnet wurde, wird zu einer gefährlichen Ausweitung der bereits gescheiterten Migrationspolitik führen.

Eve Geddie, Leiterin des Lobby-Bereichs im EU-Büro von Amnesty International

Missachtung von Menschenrechtsstandards

Während Tunesien und die EU sich auf die Unterzeichnung dieses Abkommens vorbereiteten, ließen die tunesischen Behörden hunderte Menschen, darunter auch Kinder, an den tunesischen Grenzen in der Wüste ausharren, zunächst ohne Wasser, Nahrung oder Unterkunft.

"Anstatt sichere und legale Wege für diejenigen zu gewährleisten, die versuchen, die Grenzen zu überqueren, setzen die EU-Staats- und Regierungschef*innen einmal mehr auf eine gescheiterte Politik, die auf einer groben Missachtung grundlegender Menschenrechtsstandards beruht", so Eve Geddie.

Die Vereinbarung wurde ohne Beteiligung der Zivilgesellschaft ausgehandelt und es fehlen darin entscheidende Menschenrechtsschutzmechanismen. An der Pressekonferenz, die die Staats- und Regierungschef*innen Tunesiens und der EU im Anschluss an die Einigung abhielten, nahmen keine Journalist*innen teil.  

Tunesiens Präsident Kais Saied hat seit der Suspendierung des Parlaments im Jahr 2021 nahezu alle Macht im Staat an sich gerissen. Die Behörden ermitteln gegen mindestens 72 Oppositionelle und andere vermeintliche Kritiker*innen des Präsidenten wegen verschiedener Vergehen und haben sie in einigen Fällen auch festgenommen.